Die Farbe des Handys wirkt in natura wesentlich schriller als auf dem PC-Monitor, die neuen Schuhe zwacken an allen Ecken und Enden: Gründe, übers Internet georderte Ware zurückzusenden, gibt es zuhauf.
Laut Umfragen und Studien liegen die Retouren-Quoten im Handel insgesamt bei 10 bis 16 Prozent - und schnellen bei Bekleidung und Schuhen auf Spitzenwerte von 25 Prozent hoch, bei einzelnen Versendern gar auf 50 Prozent. Denn viele Kunden bestellen vorsorglich Artikel in mehreren Größen - um letztendlich nur die passende zu behalten. So ist bei Jeans damit zu rechnen, dass sechs von zehn gekauften Hosen wieder an den Absender gehen.
Ermöglicht wird das rege Hin und Her nach einem Online- oder Versandkauf durch das Widerrufsrecht. Das erlaubt es Kunden, fehlerfreie Ware, die nicht gefällt, binnen 14 Tagen zurückzuschicken. Obendrein gehen die Portokosten zu Lasten des Verkäufers, es sei denn der Warenwert beträgt unter 40 Euro oder der Besteller hat, wie beim Kauf auf Rechnung üblich, noch keinerlei Zahlung geleistet. Nur in diesen Fällen können die Kosten für die Rücksendung über das Kleingedruckte dem Käufer auferlegt werden.
Umso überraschender ist es, dass viele Unternehmen sich nach einem Widerruf noch kulanter geben als sie müssen. Das belegt ein Check der Verbraucherzentrale NRW in 50 umsatzstarken Online-Shops. Dabei zeigte sich: Lediglich 20 halten sich strikt an die rechtlichen Vorgaben, darunter vor allem Technik-Anbieter wie Conrad und Redcoon, aber auch Lidl und Ikea sowie die Shoppingclubs Brands4friends und Limango.
Das Gros jedoch bietet mehr. Mal werden Rücksendekosten auch bei Artikeln unter 40 Euro übernommen (11), mal wird das gesetzliche Widerrufsrecht freiwillig auf 30 Tage verlängert (4). Besonders kulant zeigen sich vier Unternehmen, die stets alle Portokosten erstatten und darüber hinaus längere Bedenkzeit gestatten. Bei der Baumarktkette Hornbach sind das 30 Tage sowie 100 Tage bei Zalando. Wer bei Planet-Sports ordert, darf gar 365 Tage überlegen. Schwer zu toppen: Die Klamotten-Firma Landsend mag die Zeit für eine Retoure wegen Nichtgefallen überhaupt nicht begrenzen.
Mit einer eigenen Variante locken oftmals Verkäufer von Kleidung und Schuhen: dem "Kauf auf Probe", der sich auch bei Otto und Baur, Schwab und Hagebaumarkt findet. Bei insgesamt elf Firmen im Check können Kunden 14 Tage lang T-Shirt und Jeans, Grill und Digitalkamera zurücksenden - stets kostenfrei. Erst danach greift das 14-tägige Widerrufsrecht mit Rücksendekosten bei Waren unter 40 Euro.
Merkwürdig bei Amazon: Zwar bietet der Marktführer für die meisten Artikel eine Rücknahmegarantie von 30 Tagen an, unterscheidet aber beim Rückporto für Artikel unter 40 Euro in Kunden zweiter und erster Klasse. Nur wer hierbei aus der Rubrik "Bekleidung und Schuhe" ordert, darf kostenlos retournieren. Tückisch allerdings: Nicht jeder Besteller dürfte die Info über die Wohltat auf den Amazon-Seiten entdecken. Deshalb wird so mancher Shopper von billigen Schuhen und Shirts seine Rücksendungen analog zu Buch und Baby-Rassel frankieren - und somit unnötig.
Wichtig für Verbraucher: Sie sollten den Unterschied zwischen Widerrufs- und Rückgaberecht kennen. Bei letzterem muss der Verkäufer stets die Kosten für die Rücksendung tragen, dafür kann der Käufer den Widerruf nur durch die Rücksendung der Ware erklären und kann nicht auf E-Mail, Fax oder Brief zurückgreifen. Während ein "Widerruf" bei Galeria Kaufhof den gesetzlichen Mindeststandard garantiert, verheißt die "Rückgabe"-Belehrung bei Karstadt dementsprechend die Übernahme der Kosten "in jedem Fall".
Doch die Retouren-Idylle ist bedroht. Bis Mitte 2014 nämlich muss hierzulande eine Richtlinie der Europäischen Union umgesetzt werden. Nach der dürfen Unternehmen sämtliche Kosten für die Rücksendung von Herd und Hose, von TV und T-Shirt auf den Besteller abwälzen. Vor allem kleine Händler freut die Neuerung. Laut einer Studie des Ibi Research-Instituts an der Uni Regensburg wollen 75 Prozent aller befragten Online-Shops das neue Recht anwenden.
Den alten Kurs könnten dagegen größere Versender weiter fahren, vermutet Christin Schmidt. Für die Pressesprecherin des Bundesverbands des Deutschen Versandhandels "ist der kostenfreie Rückversand ein Service, der wettbewerbsentscheidend sein kann". Das haben auf Anfrage der Verbraucherzentrale NRW zumindest schon mal diverse Shops der Otto-Group, C& A, Planet-Sports und Zalando bestätigt.
Übrigens: Nicht verwechselt werden sollte der Widerruf mit Gewährleistung. Dieses Recht schützt Käufer von Neuware zwei Jahre lang vor Mängeln - egal, ob im Laden oder Internet geshoppt wurde. Händler können einen Defekt reparieren oder, falls das fehlschlägt, den Artikel umtauschen oder das Geld erstatten. Auch eine Preisreduzierung ist möglich.
Das Widerrufsrecht besteht dagegen insbesondere bei Fernabsatzgeschäften wie Bestellungen im Internet, im Versandhandel oder per Teleshopping, sowie bei Haustürgeschäften, zu denen auch Vertragsschlüsse in Fußgängerzonen oder öffentlichen Verkehrsmitteln zählen.
Die Absicht: Kunden sollen das Recht haben, ein Produkt daheim so zu prüfen wie im Laden. Das Hemd darf also anprobiert, das Radio angeschlossen und das Sofa aufgebaut werden. Gestattet ist selbst eine Probefahrt mit dem neuen Fahrrad.
Doch Vorsicht. Übertreiben sollte man dabei nicht. Zieren Pulli und Nikki bei der Rückgabe Kakao-Flecken, kann der Händler Wertersatz verlangen oder sogar die Annahme verweigern, vorausgesetzt er hat vorm Vertragsabschluss darauf hingewiesen.
Vom Widerruf ausgeschlossen sind in der Regel auch Produkte, die nach Kundenwünschen angefertigt und auf persönliche Bedürfnisse zugeschnitten wurden, die schnell verderben oder deren Verfallsdatum überschritten ist. Dazu zählen neben Maß-Anzügen und Einbau-Küchen, neben Zeitungen und Zeitschriften auch entsiegelte Datenträger, deren Einschweißfolie aufgerissen wurde.
Stand: 20.06.2013